Xenotransplantationen als wahrer Fortschritt der Wissenschaft?

Xenotransplantationen als wahrer Fortschritt der Wissenschaft?
Die Rolle der Naturethik in der Forschung


Geschichten über skrupellose, wissbegierige Wissenschaftler, die frei von jeglicher Moral grausame Experimente durchführen, um ihren Wissensdurst zu stillen zu versuchen, sind allgegenwärtig und somit jedem bekannt. Die Figur des „mad scientists“ wird stets mit weißem Kittel, grausigem Haar und dickem Nasenfahrrad dargestellt, woraufhin wir diese und ihre Ideen sowie Taten als lächerlich abstempeln sollen: der Austausch des Bewusstseins mit dem eines Affen, das Klonen von Meerschweinchen, die Transplantation eines menschlichen Ohres an einen Mäuserücken und… Moment mal, habe ich Fiktion mit Realität verwechselt?


Unter Xenotransplantation
(von griechisch »xenos« = fremd) versteht man die Verpflanzung artfremder
Organe, also von einerTierart zur anderen oder vom Tier auf den Menschen.

Im Unterschied dazu steht die Allotransplantation, bei der Organe innerhalb einer Art verpflanzt werden.


Nein. Denn auch wenn es vollkommen realitätsfern klingt, werden Transplantationen außerhalb einer Spezies im Rahmen der vielfältigen Forschung betrieben. Diesen Vorgang bezeichnet man als Xenotransplantation. Das große Ziel dieser Art von Transplantation ist es, unendlich verfügbare Organe für den Menschen bereitzustellen. Das endlose Warten auf das lebensrettende Herz oder die langersehnte Leber hätte somit ein Ende. Der Mensch stellt sich mithilfe seiner Fähigkeiten ein weiteres Mal der Natur entgegen. Hierbei müssen, wie so oft, Tiere als Versuchskaninchen herhalten. Für die Vision der unbegrenzten Verfügbarkeit von Organspendern müssen unschuldige Lebewesen die Selbstüberschätzung und Arroganz des Forschers erdulden und dafür mit ihrem Leben zahlen. Besonders Schweine dienen als Opfer dieser Art von Transplantation, da ihre Physiologie und Anatomie die der Menschen ähneln. Allerdings können diese noch nicht auf den Menschen übertragen werden, da unter anderem die extremen Abstoßungsreaktionen, die den Tod innerhalb einiger Minuten hervorrufen können, bisher nicht unterbunden werden können.

Der große Vorteil von Xenotransplantationen ist, wie bereits erwähnt, das Vermeiden langer Wartezeiten. Diese Zeit wird durch die Verfügbarkeit und darauf erfolgten Transplantationen sowie die Anzahl an Personen, die auf der Warteliste stehen, bestimmt. Menschen, die auf Organspenden dringend angewiesen sind, stehen jedoch nicht nur auf der Warteliste und versuchen bis dahin nicht zu sterben. Das Verteilen von Organen erfolgt nach bestimmten Kriterien: es müssen die Kompatibilität der Blutgruppen sowie die Dringlichkeit der Organspende bestimmt werden. Aufgrund der hohen Nachfrage nach Nieren ist es möglich, als Wartender sich bis zu acht Jahre auf ein passendes Organ gedulden zu müssen. Der Weg über eine Xenotransplantation könnte nun eine schnelle Alternative darstellen. Das Züchten transgener und daher kompatibler Schweine verkürzt diese Wartezeit um Jahre, denn ihre Verfügbarkeit soll in großem Raume abgesichert werden. Da solche Spenderschweine vermeintlich leichter zu organisieren wären, stellt die Frage nach der Dringlichkeit der Spende kein weiteres Problem dar.

Das Schwein bildet also nur ein Mittel für den Menschen, was ihm zum Erreichen seiner Absichten überlassen wurde. Die Menschheit hätte laut Kant ein Vorrecht inne, was ihr erlaubt, die Natur lediglich als Werkzeug, nicht aber als Teil ihrer anzusehen. Das pflichtlose Verhalten des Menschen diesem Tier gegenüber bezeugt die distanzierte, aber meiner Meinung nach notwendig nahe, Position der Forschung zu einem naturethischen Rechtsansatz.

Allein der Fakt der hier angewandten Tierversuche bekräftigen die Notwendigkeit der Beachtung eines solchen Rechtsansatzes.Trotz der Stellung des Menschen als einzig moralischer Akteur der Natur (aufgrund seiner Fähigkeit, in Recht und Unrecht unterscheiden zu können) ist er der restlichen Natur verpflichtet, ihren Rechtsanspruch durchzusetzen und zu verteidigen. Mir erscheint es als widersinnig, sämtliche Lebewesen als rechtlos einzustufen, lediglich weil sie nicht in der Lage sind, ihre Wünsche und Bedürfnisse selbst auszudrücken. Daher sehe ich das Praktizieren solcher Tierversuche als Straftat an.

Im Rahmen der Erforschung von Xenotransplantationen erleiden Schweine unvorstellbare Schmerzen durch die auftretenden, extremen Abstoßungsreaktionen, den daraufhin garantiert folgenden, qualvollen Tod, sowie dem Tier unwürdige Lebensbedingungen. Dem Tier wird der natürliche Wert abgesprochen. Es wird für das Überleben des Menschen instrumentalisiert. Hier sollte wenigstens der Aspekt des Pathozentrismus angesprochen werden. Nach Peter Singer sind Menschen und nicht menschliche Wesen gleichberechtigt, sodass das Leiden unserer Spezies sowie das einer fremden gleichbedeutend ist. Daraus sollte die Berücksichtigung der Empfindungsfähigkeit solcher Wesen und daher das Bewusstsein um die Grausamkeit ihnen gegenüber folgen. Des Weiteren ist die Auswirkung auf den Menschen nicht geklärt. Es ist demnach unabsehbar, falls und wann Xenotransplantationen am Menschen ausgeführt werden. Aufgrund der heftigen Immunabwehrreaktion auf ein artfremdes Organ, was bisher nicht durch solch Reaktionen unterdrückende Medikamente entgegengewirkt werden kann, kann der Tod des Organismus‘ nach wenigen Minuten eintreten. Im Falle von „Baby Fae“, dem prominentesten Beispiel einer Xenotransplantation, dauerte dies zwar zwei Wochen, allerdings verstarb auch sie an Nieren- und (Pavian)herzversagen.

Wegen der Ignoranz der Forschung dem Leid des Tieres gegenüber stellt die Forschung und damit gängige Anwendung an und von Xenotransplantationen keinen Fortschritt dar. Der Mensch ist in der Lage, einen weniger leidvollen, harmloseren Weg zu unbegrenzten, oder wenigstens häufiger vorkommenden Organspenden zu finden. Es ist nicht notwendig, fremde Arten in unsere verzweifelte Suche nach der Unsterblichkeit zu ziehen und folglich ihr Leid tragen zu müssen.

 

Quellen:

http://www.imabe.org/index.php?id=109

https://www.aerzte-gegen-tierversuche.de/de/projekte/stellungnahmen/1151-stellungnahme-zu-xenotransplantation

http://www.transplantation-verstehen.de/etappen/die-wartezeit/postmortaleorganspendehtml?step=stage.1.3-postmortal_donation.4

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13512616.html