Tierversuche in der Medizin

Tierversuche in der Medizin - Ein Leben ohne ...


Stell dir mal ein Leben vor, in dem du dich täglich vor einer Erkrankung mit Gelbfieber, Diphtherie oder Pocken fürchten musst. In der du bei Nierenversagen nicht einfach eine Niere von deinen Eltern geschenkt bekommen kannst. In der die Diagnose von Diabetes dein Todesurteil bedeutet und Antibiotika, Schmerzmittel und Beruhigungsmittel nicht mal schnell in der Apotheke um die Ecke zu holen sind. Du fragst dich sicher wie du dir das denn vorstellen sollst. So oder zumindest so ähnlich würde die Welt aussehen, wenn nicht jährlich mehr als 30 Millionen Tiere weltweit durch Tierversuche sterben würden. Tierversuche sind wissenschaftliche Experimente an und mit lebenden Tieren, den sogenannten Versuchstieren. Viele der Versuchstiere sterben während der Experimente oder werden anschließend getötet. Ihr kurzes Leben ist geprägt von Schmerzen, Leid und nicht artgerechter Haltung. Trotz alledem spielen die Tierversuche in der Forschung eine entscheidende Rolle. Vor allem in der Arzneimittelforschung sind Tierversuche nicht mehr wegzudenken. Ohne sie gäbe es heute keine wichtigen Medikamente wie Insulin oder Penizillin, keine Impfungen gegen Gebärmutterhalskrebs oder Malaria und Organtransplantationen wäre unvorstellbar. Doch können das Leiden und der Tod der Tiere wirklich mit der Entwicklung von Medikamenten für den Menschen gerechtfertigt werden?


Mit dieser Frage hab ich mich in meinem bisherigen Leben noch nicht beschäftigen müssen, jedoch bin ich im Rahmen des Ethikunterrichts darauf aufmerksam geworden und habe Interesse für dieses Thema entwickelt. Ich selbst bin sehr tierlieb und kann es wie Viele nicht sehen, wenn Tiere leiden. Jedoch bin ich genauso auf die heutige Medizin und Forschung angewiesen. In diesem Blogeintrag möchte ich die Vor- und Nachteile von Tierversuchen betrachten und sie auf ihre ethische Vertretbarkeit prüfen.

Die Forschung mit den Versuchstieren wird z.B. in Universitäten und Forschungseinrichtungen durchgeführt. Da es verboten ist freilebende Tiere einzufangen und für die Forschung zu nutzen, werden speziell im Labor gezüchtete Tiere verwendet. Tierversuche werden in vielen verschiedenen Bereichen angewendet wie z.B. in der Herstellung und Qualitätskontrolle von Produkten wie Kosmetika, in der Verhaltensforschung aber auch in Schulen im Biologieunterricht. In den Schulen dienen getötete Tiere wie z.B. Ratten der Veranschaulichung des theoretischen Lernstoffs, und die Schüler lernen an ihnen den Aufbau und die räumliche Anordnung der inneren Organe eines Säugetieres.

Hauptsächlich dienen Tierversuche jedoch der medizinischen Grundlagenforschung und Arzneimittelforschung. An ihnen werden Medikamente und Chemikalien getestet, deren hohe Dosierung oft zu schweren Vergiftungen oder zum Tod führen. Bei Affen wird das Zusammenspiel einzelner Gehirnzellen untersucht indem ihnen eine Zugangsröhre in die Schädeldecke operiert wird. Während des Experiments ist der Kopf der Affen im Versuchsstuhl fixiert. Als Belohnung erhalten sie einige Tropfen Apfelsaft welche sie gleichzeitig motivieren, da sie in der Nacht vor dem Experiment nichts zu trinken bekommen haben. Der Verlauf und die Bekämpfung verschiedenster Krankheiten wird erforscht, indem im Tier Symptome herbeigeführt werden die denen von menschlichen Krankheiten ähneln. Trotz der Qualen der Tiere bei diesen Experimenten spricht der daraus resultierende Erkenntnisgewinn für die Tierversuche. Nur durch Tierversuche konnte 1901 ein Heilserum gegen Diphtherie gefunden werden, 1923 das Insulin entdeckt werden, ohne das viele Diabetiker nicht leben könnten. Ohne sie wäre heute Vieles nicht möglich, was kaum mehr wegzudenken ist.

Aber gibt es nicht auch andere Methoden, bei denen keine Tiere gequält werden? Ja die gibt es. Die sogenannten In-Vitro-Verfahren sind ein gutes Beispiel für alternative Möglichkeiten. Dabei werden Experimente an Zellkulturen durchgeführt, welche in Reagenzgläsern gezüchtet werden. Ebenfalls können chirurgische Eingriffe mit Hilfe von Computersimulationen an Modellen geübt und verfeinert werden. Es gibt somit jede Menge Alternativen die beweisen, dass Tierversuche nicht zwingend nötig sind. Aber warum werden sie dennoch weiterhin durchgeführt?

Trotz der vielen Vorteile, die die moderne Technik mit sich bringt, kann nicht jeder Ablauf im Körper simuliert werden. Vor allem bei komplexen Abläufen im Körper müssten mehrere Organe simuliert werden die zusammen wirken. Außerdem ist der Aufwand bei Tierversuchen nicht so groß wie der eines In-Vitro-Verfahrens beispielsweise. Der Mensch ist zu gemütlich, um einen größeren Aufwand auf sich zu nehmen nur um die Tiere, die bei den Versuchen leiden, zu schützen. Zudem sind die Tierversuche besser auf den Menschen übertragbar und ja auch nicht rechtlich verboten, solange die Tiere nicht aus freier Wildbahn stammen und eine artgerechte Haltung vorliegt. Doch von einer artgerechten Haltung kann bei vielen Tierversuchen nicht die Rede sein. Mäuse werden in kleinen Plastikkästen gehalten, in denen sie kaum Platz haben sich zu bewegen und welche zu hohen Türmen gestapelt werden. Hunde, Affen und Kaninchen werden in kalte, kahle Käfige und Räume gesteckt und müssen dort oft lange ohne Essen und Trinken auskommen.

Aber wie können wir Tieren, die genauso Lebewesen wie wir sind, so etwas überhaupt antun? Was kann diese Bilder ertragbar machen? Nichts außer der menschliche Egoismus ist dafür verantwortlich. Uns geht es gut, das ist die Hauptsache, und wenn andere dabei leiden ist das unwichtig. Nein, wenn Tiere dabei leiden ist das unwichtig. Schließlich geht es ja dabei um den Erkenntnisgewinn zur Erforschung und Heilung von Krankheiten für die Menschen. Die „Deutsche Forschungsgemeinschaft“, welche zu den Befürwortern von Tierversuchen zählt, sagt: „Der Verzicht auf die Versuche würde eine Verlangsamung des medizinischen Fortschritts bedeuten.“ Doch können wir, nur um unser eigenes Wohl zu sichern, Tiere quälen und töten? Warum stehen unsere Bedürfnisse über denen der Tiere? Ganz einfach. Die Tiere können sich nicht wehren. Sie können nicht sagen: “Nein, dass möchte ich nicht!“ oder „Ich habe auch ein Recht zu entscheiden!“, denn in unseren Augen haben sie kein Recht. Tiere sind bekannterweise nicht intelligent wie die Menschen und ihnen somit geistig unterlegen. Doch gibt uns diese Überlegenheit das Recht über Tod und Leben, über Schmerz und Freude zu entscheiden. Oder ist mit dieser Überlegenheit eine Verantwortung des Menschen gegenüber den Tieren verbunden. Sollten bzw. müssten wir nicht sogar aufgrund unser Intelligenz und unseres moralischen Selbstverständnisses nicht genau so handeln, nämlich moralisch? Haben wir denn gegenüber den Tieren überhaupt moralische Pflichten?


Mit genau diesen Fragen haben sich schon viele Philosophen beschäftigt. Unter ihnen der Philosoph und Utilitarist Peter Singer. Seine pathozentristische Ethik beschreibt, dass wir Menschen gegenüber jedem leidensfähigen Wesen moralische Pflichten haben. Laut Singer sollten wir nach dem Prinzip der gleichen Interessenabwägung handeln und somit müssten wir auch die Interessen von weniger intelligenten Wesen, also den Tieren, beachten. Das von ihm formulierte Prinzip der Gleichheit verlangt, dass das Leiden eines Tieres genauso zählt wie das eines Menschen. Jedes Wesen was leiden kann, muss somit auch berücksichtigt werden, denn Leiden = Leiden. Wenn ein Wesen nicht leidensfähig ist oder keine Freude oder Glück empfinden kann, dann gibt es auch nichts zu berücksichtigen. Da Tiere genauso Schmerzen empfinden können wie wir Menschen, sieht es Singer nicht als gerechtfertigt an, die eigenen Bedürfnisse über die der Tiere zu stellen, nur weil sie weniger intelligent sind. Die sogenannten „Speziesisten“ betrachten jedoch die eigenen Interessen der Spezies als wichtiger als die anderer Spezien. Die Speziesisten verstehen nicht, dass der Schmerz der Tiere genauso schlimm ist wie der eigene. Ich stimme Peter Singer in dieser Ansicht zu und sehe es genauso wie er. Aber auch andere Philosophen haben sich mit diesem Thema befasst und nicht jeder von ihnen ist der gleichen Meinung wie Singer.

Immanuel Kant hat seine ganz eigene naturethische Grundposition. Er ist ein Befürworter des Anthropozentrismus und steht somit im Kontrast zu Singers Pathozentrismus. Der Anthropozentrismus sieht den Menschen als einziges vernunftbegabtes Wesen und sagt, dass der Mensch auch nur Pflichten gegenüber vernunftbegabten Wesen, also sich selbst, hat. Der Mensch ist nach Kant der Zweck der Natur und die Tiere dienen ihm nur als Mittel zur Erreichung seiner Ziele. Somit stellt Kant den Menschen über alle anderen Lebewesen und differenziert sich damit stark von der Meinung Singers.

Ich selbst bin zum Entschluss gekommen, dass Tiere, genauso wie wir Menschen, leidensfähige Lebewesen sind und wir ihnen gegenüber moralische Pflichten haben. Tiere zu misshandeln und derartig leiden zu lassen, ist nicht nur unmoralisch, sondern schlichtweg grausam und einfach unmenschlich. Wir Menschen sollten aufgrund unserer hohen Intelligenz schlau genug sein zu erkennen, dass die Tiere genauso wie wir Bedürfnisse und Wünsche haben, die auch erfüllt werden sollten. Die Tatsache, dass sie sich diese Bedürfnisse nicht immer selbst erfüllen können, gibt uns nicht das Recht über sie bestimmen zu können, sondern sollte uns den Anreiz geben, ihnen bei der Erfüllung dieser Bedürfnisse zu helfen. Denn die Tiere leisten genauso wie wir ihren Beitrag zu unserer Welt. Die Vergangenheit kann man nicht rückgängig machen und was einmal tot ist, kann nicht wieder zum Leben erweckt werden. Doch was wir machen können, ist die Zukunft zu verändern und alternative Methoden auszubauen und Tierversuche abzuschaffen. Das sind wir sowohl uns als auch den Tieren schuldig. Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, den ich unternehmen werde, ist es in Zukunft beim Kauf von Kosmetik darauf zu achten, dass die Artikel in ihrer Entwicklung nicht mit Tierversuchen in Verbindung stehen. Die Entscheidung trifft letztendlich jeder für sich selbst aber ich hoffe, dass ich durch meinen Beitrag manchen die Augen öffnen konnte und den ein oder anderen zum Nachdenken angeregt habe.

 

Quellen:

https://www.aerzte-gegen-tierversuche.de/de/bilder/fotos/245-haltung-von-versuchstieren

https://www.aerzteblatt.de/archiv/78189/Tierversuche-in-der-medizinischen-Forschung-Druck-von-allen-Sei-ten

https://de.wikipedia.org/wiki/Tierversuch#Anwendungsbereiche

http://eara.eu/de/kampagnen/40-grunde-warum-wir-tierversuche-in-der-forschung-brauchen/